Plötzlich kommen Vincent die Tränen. Er gibt jedoch keinen Laut von sich und starrt weiter auf den Fernseher, als ob er es vor mir verheimlichen will. Ich umarme ihn, und erst da fängt er richtig an zu weinen. Nach einer Weile hat er sich wieder beruhigt und ist eingeschlafen. Ich schaue längst nicht mehr fern, sondern nur auf ihn. Habe wieder die alten Bilder vor mir: Wie ich nach dem Tod meiner Eltern allein in meinem Internatszimmer sitze, noch mit Schnee in den Haaren. Wie ich unsicher auf dem Pausenhof stehe und die anderen Kinder beim Spielen beobachte. Wie es mich davontreibt, fort, fort, fort. Ich sehe mich selbst so sehr in diesem Jungen, dass es mich schmerzt.

Vom Ende der Einsamkeit (Benedict Wells)

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Meine Augen sind schön, wie die Augen aller Frauen in dieser Stadt, und benötigen keine Brille. Sie sehen den Mann, den ich einmal verehrt habe, sogar bei Dunkelheit und auf Entfernung. Ich sehe jeden seiner Schritte und werde für jeden seiner Schritte ein Wort finden, kein großes dankbares Wort, eher ein kleines genaues, störend wie ein Spreißel. Und wenn es heute tausend Schritte sind, die er hier mit seinem Kind unternimmt, werden es morgen tausend Worte sein, sie ihm den Schlaf rauben. [...]. Ich füge die Scherben eines Spiegels zusammen und entferne darauf jeden Fleck. Der Mann, der mir nachgereist ist, soll nicht unnötig leiden; ich verlange bloß, dass auch er sieht, ganz am Ende vielleicht sogar mich.

Der Sandmann (Bodo Kirchhoff)