Olga liebte ihn, sagte er sich mehrmals mit zunehmender Traurigkeit, und zugleich wurde ihm klar, dass ihre Beziehung ein für alle Mal zu Ende war; das Leben bietet einem manchmal eine Chance, sagte er sich, aber wenn man zu feige oder zu unentschlossen ist, um sie zu ergreifen, nimmt es einem den Trumpf wieder aus der Hand. Es gibt einen geeigneten Moment, um Dinge zu tun und sich dem möglichen Glück zu stellen, dabei kann es sich um einen Zeitraum von ein paar Tagen, ein paar Wochen oder sogar ein paar Monaten handeln, aber diese Chance bietet sich nur ein einziges Mal, und wenn man sie später erneut zu ergreifen versucht, ist das schlichtweg unmöglich, es ist kein Raum mehr da für die Begeisterung, für Überzeugung, für Glauben, es bleibt nur sanfte Resignation, gegenseitige Betroffenheit und das nutzlose, wenn auch berechtigte Gefühl zurück, dass irgendetwas hätte entstehen können, man sich aber des Geschenks, das einem gemacht worden ist, unwürdig gezeigt hat.

Michel Houellebecq (Karte und Gebiet)

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Es war einmal eine große Stadt, in der lebten zwei Kinder, ein Junge und ein Mädchen. [...]. Die Stadt bestand aus zwei Hälften. Die eine lag nach Osten hin, die andere nach Westen. [...]. Zwischen Ost und West aber war eine Grenze, viel Gerede und viel Feindseligkeit. Die Stadt hieß Berlin. Durch die geteilte Stadt floss ein Fluss. Er floss im Südosten in die Stadt hinein und im Nordwesten wieder heraus. Der Fluss hieß Spree und an seinen Ufern gab es viel Grün, aber auch Fabriken und Häuser. Und da der Fluss mitten durch die Stadt hindurchfloss, war auch er zweigeteilt.

Die Flaschenpost (Klaus Kordon)