Mein Vater schlief schon, jedenfalls hörte ich keinen Ton, als ich an seiner Tür horchte, weder seinen Atem noch den Husten, der ihn immer wieder weckte, und oft auch uns. Mein Zimmer lag direkt über seinem. [...]. Er war so elend, so wund. Er erinnerte mich an eine Maus, gefangen in einem Käfig aus Büchern, an eine gehäutete Maus. Jede Berührung tat ihm weh, jeder Kuss, jede Umarmung; so bewegte er sich selbst kaum mehr. Ins Bad hinüberzugehen und eine Schmerztablette zu schlucken, auf Toilette, das waren seine weitesten Wege.
Urs Widmer (Das Buch des Vaters)
juli-zeh-02
Eigentlich mag Britta keine Spielplätze. Es macht sie traurig zu sehen, was aus Menschen wird, die sich ausschließlich für ihre Kinder interessieren. Väter, sie sich beim stundenlangen Anschubsen der Schaukel den Arm ausleiern. Mütter, die aus allen vieren durch Plastikröhren kriechen und dabei wie Schweine grunzen. Ehepaare, die voller Eifer gemeinsam Sandburgen bauen, während die Dreijährige gelangweilt ins Leere starrt.
Leere Herzen (Juli Zeh)