Kurz bevor die Pass- von der Talstraße abzweigte und den Berg hochführte, stand eine kleine Kapelle. "Hier trennt der Weg, o Freund, wo gehst Du hin?", stand über dem Eingang. "Willst Du zum ewigen Rom hinunterziehen? Hinab zum heiligen Köln, zum deutschen Rhein, nach Westen weit ins Frankenland hinein?" Nach Monaten des Stillstands empfand Thomas endlich wieder das Hochgefühl des Unterwegseins, die Freude an seiner Zukunft, die nicht vorgegeben war und die mit jedem Schritt eine andere Wendung nehmen konnte.

Weit über das Land (Peter Stamm)

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Auf dem großen Passagierdampfer, der mitternachts von New York nach Buenos Aires abgehen sollte, herrschte die übliche Geschäftigkeit und Bewegung der letzten Stunde. Gäste vom Land drängten durcheinander, um ihren Freunden das Geleit zu geben, Telegraphenboys mit schiefen Mützen schossen Namen ausrufend durch die Gesellschaftsräume, Koffer und Blumen wurden geschleppt, Kinder liefen neugierig treppauf und treppab, während das Orchester unerschütterlich zur Deck-Show spielte. Ich stand im Gespräch mit einem Bekannten etwas abseits von diesem Getümmel auf dem Promenadedeck, als neben uns zwei- oder dreimal Blitzlicht scharf aufsprühte - anscheinend war irgendein Prominenter knapp vor der Abfahrt noch rasch von Reportern interviewt und photographiert worden. Mein Freund blickte hin und lächelte. »Sie haben da einen raren Vogel an Bord, den Czentovic.« Und da ich offenbar ein ziemlich verständnisloses Gesicht zu dieser Mitteilung
machte, fügte er erklärend bei: »Mirko Czentovic, der Weltschachmeister.«

Stefan Zweig - Schachnovelle